Ein Gradmesser für das kreative Potenzial eines Stadtteils ist die dort vorzufindende Kunst im öffentlichen Raum. So gesehen ist Obersendling ein Ort mit idealen Voraussetzungen für Kreative und Vordenker. Denn hier finden sich zahlreiche Flächen, deren Gestaltung die Grenzen des Gewohnten sprengen und den Betrachter unweigerlich in ihren Bann ziehen. Wenige Bezirke Münchens haben derart viel hochwertige Streetart und großflächige Graffiti-Wandbilder in einer vergleichbaren räumlichen Konzentration zu bieten wie der boomende Stadtteil zwischen Zentrum und Isarufer. Deshalb haben wir uns auf eine künstlerische Rundreise begeben, bei der sich ein völlig neuer Blick auf Obersendling eröffnet.
STATION 1
Einen Rundgang durch die Freiluftgalerie Obersendlings beginnt man am besten auf dem ehemaligen Siemensgelände ganz im Süden, beim zirka 8 Gehminuten vom SOuth HOrizon Munich in der Koppstraße 4 entfernten Campus Süd an der Siemensallee. Auf dem weitflächigen Areal wurden 2017 im Rahmen des Projekts „Scale Wall Art“ große Hausfassaden von renommierten nationalen und internationalen Graffitikünstlern wie Loomit, SatOne, den Stone Age Kids (alle aus München) sowie Os Gemeos (Brasilien) und Aryz (Spanien) bemalt. Dass so viele internationale Künstler regelmäßig den Weg nach München finden hängt auch damit zusammen, dass die bayerische Hauptstadt als Ursprungsort der deutschen Graffiti-Bewegung gilt. Genau, nicht in Berlin sondern in München konnten in den 70er und 80er-Jahren die ersten Kunstwerke auf den Straßen bewundert werden. Damals noch mit etwas mehr Unverständnis, aber sicherlich einem ähnlichen Maß an Faszination wie heute.
STATION 2
Bewegt man sich nun auf unserem Rundgang weiter Richtung Norden, findet man in unmittelbarer Nähe der U-Bahnstation Aidenbachstraße in der Gmunder Straße fast eine Art Hall of Fame, beginnend mit einer eindrucksvollen, von Exil-Münchner Flying Förtress gestalteten Fassade sowie diversen Murals von u.a. Team Endzeit.
STATION 3
Von dort aus ist es nicht weit bis zum NYX Hotel in der Hofmannstraße. Dessen äußeres Erscheinungsbild wird von einem fassadenfüllenden, abstrakten Gemälde der Künstler SatOne und Daniel Man bestimmt.
STATION 4
Gute 7 Gehminuten entfernt befindet sich das Gelände der Feuerwache 2. Das dazugehörige Gebäude ist mit seinem riesigen, vom BS Design Buero gestalteten und einen Feuerwehrmann im Einsatz zeigenden Wandbild unschwer als solches zu erkennen.
STATION 5
Fast in Sichtweite: der Ratzingerplatz, in dessen Mitte das ehemalige Trambahnhäuschen seit einigen Jahren als Kunstfläche dient. Derzeit zieren die Wände eine Vielzahl von Stencils des Künstlerprojekts IMAL (International Munich Art Lab), das dort 2017 sein Projekt „Raum.Station.Neon“ umsetzte.
STATION 6
Folgt man der Boschetsrieder Straße bis zur Hausnummer 118, wird man an einem kleinen Trafohäuschen der Stadtwerke Zeuge, wie Münchens Graffiti-Urgestein Loomit die Muskeln spielen lässt – im wörtlichen Sinne. Zu sehen ist ein in Tracht gewandetes Paar, das seine Kräfte beim bayerischen Fingerhakeln misst.
STATION 7
Jetzt sind es nur noch gut 600 Meter bis zur Allguth-Tankstelle an der Boschetsrieder Straße 139. Gleich um die Ecke befindet sich der Eingang zu einer der ungewöhnlichsten Galerien Münchens. Wer sich durch dichtes Gestrüpp seinen Weg nach unten kämpft, wird belohnt mit einem „Lost Place“ in Form einer Tunneleinfahrt auf der stillgelegten Route der Trambahnlinie 16. Deren Wände sind beidseitig legal zur Gestaltung als überdimensionierte Leinwände freigegeben. Die Freiluftgalerie erstreckt sich über eine Länge von 130 Metern. Die hier zu sehenden Bilder werden fortlaufend mit neuen übermalt, sodass ein wiederholter Besuch immer mit neuen Überraschungen belohnt wird.